Seit zehn Jahren, erstmals nach dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift “Charlie Hebdo” und einen jüdischen Supermarkt in Paris im Januar 2015, veranstalten die Deutsch-Französische Gesellschaft SH e.V., Sitz Kiel und die Familie Mehdorn Stiftung mit wechselnden Kooperationspartnern jährlich den Deutsch-Französischen Gesellschaftsdialog, eine Diskussionsveranstaltung zu einem aktuellen Thema, das aus deutscher und französischer Perspektive beleuchtet wird.
Am 27. März 2025 fand in der Hermann-Ehlers-Akademie in Kiel die 10. Auflage dieses Gesellschaftsdialogs zu einem hochaktuellen Thema statt. Mit Landry Charrier konnte ein exzellener Kenner und hervorragender Analytiker der Situation in beiden Ländern gewonnen werden. Charrier ist Mitglied der CNRS-Forschungseinheit SIRICE (Sorbonne Université, Paris), Associate Fellow am Global Governance Institute (Brüssel) sowie am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Ko-Produzent des Frankreich-Podcasts „Franko-viel“, Lehrbeauftragter an Sciences Po Strasbourg (2023-2024) und der Universität Paderborn (2024-2025).
Der Referent zeichnete vor gut besetztem Saal zunächst die verschiedenen Phasen der Amtszeit Präsident Macrons in Bezug auf Deutschland nach - von der "Charmoffensive" zwischen 2017 und 2019 ("Vergessen Sie nicht, Frankreich leibt Sie"2017 vor dem Bundestag) über die fruchtbare Konfrontation durch das Ausbleiben deutscher Reaktionen auf französische Vorschläge, dann den Schulterschluss in der Corona-Krise bis zur Zeit der verpassten Chancen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Und er analysierte dann die Frage: Können Frankreich und Deutschland noch führen in Europa? Nach Meinung des Referenten habe Präsident Macron oft die richtigen Fragen gestellt, aber nicht immer die richtigen Atnworten darauf gefunden.
Sein Fazit: Deutschland und Frankreich sind weiter nötig als Motoren in Europa, weil sie die einzigen "Weltpolitik fähigen" europäischen Länder seien, sie müssten jedoch auch Kooperationswilligkeit und -fähigkeit zeigen. Aleine jedoch könnten sie keine ausreichende Triebkraft entwickeln. Die privilegierte deutsch-französische Beziehung msüse sich erweitern auf "big Europe" und Polen und Großbritannien mindestens als Militärakteure miteinbeziehen. Insgesamt sei die Europäische Union eine große "Lerngemeinschaft". Bei den großen Entscheidungen sei das Tandem Deutschland-Frankreich aber nach wei vor oft Rückgrat und Lenkrad der Union.
Eine lebhafte Debatte mit dem Publikum - vor allem zur europäischen Verteidigungsfähigkeit - schloss sich an, bevor die Veranstalter zur informellen Fortsetzung des Austauschs bei einem Glas Wein einluden.
MM, 3.4.25
Landry Charrier und Margarete Mehdorn, Foto: J.Petersen